Bross – solo l’amore è più forte del bross

Quelle: „Die piemontesiche Küche“, ISBN 88-7320-056-7

Bross (auch Brös, Bross, Brus oder Bruss) ist kein richtiger Käse, sondern eine piemontesische und ligurische Käsezubereitung aus Käse und Grappa, die in früheren Jahrhunderten typisch für die bäuerliche Küche der Oberen Langhe und Westliguriens war. Es wird vermutet, dass sich der Name von der Landschaft Bresse in der historischen Dauphiné ableitet. Einer anderen Theorie nach leitet er sich von „bruciare“ ab, dem kräftigen Gefühl, das den Mund beim Probieren beflügelt. Der Bross wird in einigen mittelalterlichen Statuten (Cuneo, Mondovì) mit ähnlichen Namen erwähnt: brocius, broxíus, brozius, broxius, brozus, brucíus. In Vittorio di Sant’Albinos „Gran Dizionario piemontese italiano“ von 1859 heißt es: „Eine Art von sehr starkem Cacio, der aus anderem alten und stark fermentierten Cacio hergestellt wird, der mit Aqua Vitae, Butter und anderen Drogen vermischt und dann versiegelt und in kleinen Döschen aufbewahrt wird.“ Im allgemeinen Sprachgebrauch heißt es: „l’infernale mantecato, da resuscitare un morto„, ein höllisches Mantecato (eine gerührte Masse, ein Mousse oder eine Creme), das einen von den Toten auferweckt.

Bross besteht aus einer Mischung verschiedener Käsesorten, Schafs-, Ziegen- und Kuhmilchkäse in nicht definierten Mengen, je nachdem, was Sie zu Hause haben. Die Käsesorten werden auch mit Käserinden und anderen Käseresten vermischt.

Sein Aroma ist stechend, der Duft verlockend: Bei den Langa bricchi sagt man scherzhaft, dass er sogar das Glas durchdringt, in dem er aufbewahrt wird. Sein scharfer Geschmack gab Anlass zu dem Sprichwort „Nur die Liebe ist stärker als der Bross“ (solo l’amore è più forte del bross) oder wie es im piemontesischen Dialekt heißt: „Mac l’amor a l’é pi fòrt che ‚l bros„.

Am Ende der Reifezeit des Bross ist das gastronomische Wunder vollbracht, ein wahres Feuerwerk an Energie und Vitalität, das man instinktiv liebt, weil man weiß, dass jede Frau die ihn hergestellt hat, eine Prise Fantasie und ihre geheime Note hineingesteckt hat, um es für ihren Mann „einzigartig“ zu machen. Und sich damit zu brüsten, noch immer Bross zu essen, wie es der Graf Pioletto in dem gleichnamigen Stück von Carlo Giuseppe Giovan Battista Tana, dem piemontesischen Botschafter in Madrid im Jahr 1675, tut, hatte viele schelmische Facetten. Auf literarischem Gebiet ist Tana für die teils auf Piemontesisch, teils auf Italienisch verfasste Komödie „Ël Cont Piolet“ bekannt, die bei Hofe aufgeführt und 1784 posthum veröffentlicht wurde. Es handelt sich um eine Opera buffa, deren Handlung die Karikatur eines Adligen, Graf Pioletto, ist.

Bross wird in verschiedenen Variationen zubereitet, wobei die bekanntesten Namen „Brussu“ aus den Tälern von Cuneo, „Bruz“ und „Buzzu“ sind. Die Ähnlichkeit der Namen lässt vermuten, dass der Ursprung vom piemontesischen „brusé„, brennend, herrührt, denn wer ihn kostet, spürt ein gewisses Brennen.

Das Alter dieser Spezialität ist unbekannt, obwohl sie wahrscheinlich schon vor Beginn des neunzehnten Jahrhunderts bekannt war, als Vittorio di Sant’Albino sie in seinem piemontesisch-italienischen Wörterbuch beschrieb. Ursprünglich ging es darum, Abfall zu vermeiden: Alte, harte und/oder verschimmelte Käsestücke wurden mit hausgemachtem Grappa sowie eventuell mit Butter und Gewürzen vermischt. Es gibt keine genauen Mengenangaben für die Zutaten, man gibt das, was man zu Hause hat, zur Gärung in einem Steingutbehälter (Terracotta), der „Ola“, einem Keramiktopf, ähnlich einem Gärtopf für Sauerkraut oder Gurken, bis die Mischung eine cremige Konsistenz annimmt. Dann wird sie nach der Säuerung und Gärung in speziellen Holzbehältern, traditionell aus Lärche oder Kirschholz abgefüllt, abgedeckt und wird wie eine Konfitüre behandelt.

Der Brös hat in den letzten Jahren ein gewisses Gütesiegel erhalten und ist häufig in den Restaurants der Langhe zu finden. Die robuste traditionelle Rezeptur ist jedoch weitgehend durch eine auf Frischkäse wie Robiola und Weißwein basierende ersetzt worden.

Brus da ricotta ist eine Version ohne Wein oder Grappa, die in verschiedenen Teilen des Piemonts durch die Fermentierung von Schafsmilch-Ricotta-Käse für einen Monat oder länger und die Aromatisierung mit Chili oder schwarzem Pfeffer hergestellt wird. Er ist von der Regionalregierung als „traditionelles piemontesisches Produkt“ anerkannt worden.

Der Bruzzu ist ein ähnliches alkoholfreies Produkt, das diesmal auf Schafsmilch-Ricotta basiert und in den Gemeinden Triora, Molini di Triora und Cosio di Arroscia in der Provinz Imperia im Westen Liguriens hergestellt wird. Der Käse wird in der von Stefano Jacini geleiteten Regierungsuntersuchung über die Landwirtschaft in den Jahren 1877-1882 erwähnt und war bis in die 1990er Jahre sehr beliebt. Im ersten Jahrzehnt des einundzwanzigsten Jahrhunderts erlebte er eine Art Wiedergeburt und wurde in den Katalog der Arche des Geschmacks für historische Lebensmittel aufgenommen. Der Ricotta wird zum Abtropfen in Formen gefüllt und dann in Holzkesseln zum Gären gebracht, meist unter Zugabe von Salz. Nach einer Reifezeit von etwa einer Woche im Keller ist der Käse verzehrfertig. Es gibt ihn in verschiedenen Größen, er hat eine cremige Konsistenz und ist elfenbeinfarben oder bräunlich-weiß. Es handelt sich hier aber definitiv um die „Touristen-Version“ des Bross.

In den Langhe haben die alten Bauern und Winzer (Langhet) schon immer den „Wanderkäse“ „il formaggio che cammina“ geliebt und daraus einen Mythos gemacht, indem sie behaupteten, er enthalte Würmer, die sich angeblich nach einer zweiten Gärung bilden. Im „Bross“ finden sind jedoch keine (lebenden) Würmer, da der Zusatz von Grappa deren Entwicklung verhindert. Trotzdem wird er gerne als “formaggio che cammina”, bezeichnet. Dies mag daher kommen, dass sich Würmer in dem Käse einnisten können, bevor der Grappa zugegeben wurde.

„Bross“ wird in kleinen Mengen auf, vorzugsweise über einem Holzofen gerösteten Polentascheiben oder auf harten, selbst gebackenen Brotscheiben gegessen. Man kann den Bross, wenn er etwas zu flüssig ist, auch durch ein Käsetuch abtropfen lassen und so eine festere Konsistenz erreichen.

Das Reich des Bross ist die Herbsttafel mit dem Wahrzeichen der Gastronomie von Cuneo, dem Soma d’aj, dem gerösteten Knoblauchbrot. Er gilt seit jeher als der Käse des armen Mannes, denn eine kleine Menge reicht für viele Brote. Er passt hervorragend zu Micchetta, die mit Knoblauch angebraten und mit nativem Olivenöl übergossen und dann gesalzen werden.

Zutaten:
500 g alten  Schaf-, Ziegen-, Kuh- und Blauschimmelkäse, einschließlich der verschiedenen Käserinden
1 Glas Olivenöl
1 Glas frische Milch oder Sahne
5-6 Körner Schwarzer Pfeffer
getrocknete rote Pfefferschoten nach Geschmack
4 Wacholderbeeren
eine Handvoll gemahlene Walnusskerne
1 Glas Weißwein
1 Glas guter Grappa
1 Zweig frischer Rosmarin
Mengen an die Konsistenz anpassen!

Wenn die Mischung nicht homogen genug ist, kann man auch einen Pürierstab benutzen und alles zu einer homogenen Masse mixen (Danke Marcel Hauswirth für den Tipp aus der 🇨🇭!). Hat den Vorteil, dass man gleich ein Gefühl dafür bekommt, wie dick- oder dünnflüssig der Ansatz ist. Bei Bedarf kann dann noch Wein, Öl oder Milch/Sahne hinzugegeben werden. Nach dem Pürieren den Rosmarinzweig auflegen. Der Topf sollte nun an einem nicht zu kalten Ort aufgestellt werden, da er für die Gärung eine gewisse Wärem benötigt.

Die Mischung täglich umrühren (den Rosmarinzweig unterrühren) und ggf. Milch dazugeben, falls die Mischung zu trocken wird.

Die Tradition schreibt vor, dass der Sud durch Drehen des Holzlöffels im Uhrzeigersinn umgerührt wird, während andere behaupten, dass auch Drehungen gegen den Uhrzeigersinn, die der Hälfte der Drehungen im Uhrzeigersinn entsprechen, vorgenommen werden sollten.

Wenn die Gärung eingesetzt hat, sollte der Behälter gut abgedeckt an einen kühlen, dunklen Ort gestellt werden. Die Bross ist fertig, wenn die Masse zu einer duftenden Creme geworden ist. Die Zugabe von Grappe stoppt schließlich die Gärung. Nach der Zugabe des Grappa sollte der Bross noch etwas reifen.

Je nach Geschmack können Sie mehr Grappa oder mehr oder weniger frische Milch oder besser Sahne hinzufügen.

Bross wird im Topf angesetzt

Nach dem Ansatz heißt es drei Monate warten!

In Frankreich gibt es eine ähnliche Zubereitung, den „Fromage fort“, bei dem auch noch Knoblauch zugegeben wird.

Fromage Fort
Fromage Fort (Frz. “Kräftiger Käse”) ist eine französische Käsespezialität, die in den Weinbaugebieten des Landes beheimatet ist. Der Fromage Fort wird aus geriebenem oder klein geschnittenem Käse bzw. Käsereste, die mit Wein, Schnaps, Öl, Brühe, Milch, Molke oder Butter sowie mit Kräutern und Gewürzen wie Knoblauch vermischt werden. Fromage Fort ist ein beliebter Brotaufstrich und wird auch als Zwischenmahlzeit oder Brotzeit gegessen.

Fromage Fort wurde früher als Resteverwertung verwendet. Mit ihm konnte man alten und hart gewordenen Käse wieder weich und verzehrfähig machen und musste das wertvolle Lebensmittel nicht wegwerfen. Außerdem stellte es eine willkommene Abwechslung im sonst eher eintönigen Speiseplan der Bauern und Winzer dar. Der Käse wurde mit Alkohol und anderen Zutaten vermengt und in Steinguttöpfe gefüllt.

Wird der Fromage Fort aus Ziegenkäseresten hergestellt, dann nennt man das Endprodukt Cachat oder Cacheilla.

Heutzutage wird Fromage Fort meistens nicht mehr aus Käseresten gemacht, sondern aus normalem Käse. Der Fromage Fort kann frisch gegessen oder bis zu 1 Woche und länger im kühlen Keller oder im Kühlschrank aufbewahrt werden. Je länger er reift, desto kräftiger wird sein Aroma.

In den Weinbaugebieten wird der Fromage Fort mit den dort angebauten Weinen gewürzt, so zum Beispiel im Beaujolais, im Mâconnais, in Nord-Pas-de-Calais, in der Dauphine, im Lyonnais (Fromage Fort du Lyonais) oder in den Höhenlagen des Mont Ventoux (Cachat d’Entrechaux). Aus Nordfrankreich stammt der Fromage Fort de Béthune, der aus sehr lange gereiftem Maroilles zusammen mit Petersilie, Estragon, Pfeffer und Bier gemischt und 2–3 Monate gelagert wird. Dabei entwickelt er ein sehr kräftiges Aroma und einen pikanten und kräftigen Geschmack. Für den Confit d’Epoisses dagegen wird sehr junger Epoisses eine Woche lang in Weißwein und Marc de Chamapgne eingelegt. Danach wird die Marinade weggeschüttet und noch einmal frischer Weißwein angegossen. Dieser Fromage Fort ist cremig und recht mild.

Für Fromage Fort eignet sich praktisch jede Käsesorte von Hartkäse bis Weichkäse. In Bayern gibt es mit dem Obazda eine ähnliche Resteverwertung, dieser wird aber ohne Alkohol hergestellt und meistens frisch verzehrt, da er aufgrund der darin enthaltenen Zwiebeln sehr schnell gären kann.

Rezept Fromage Fort

  • 500 g Käse (Reste) nach Geschmack bei Raumtemperatur (Parmesan, Camembert, Brie, Ziegenfrischkäse, Roquefort, Cheddar, usw.)
  • 300 ml trockener Weißwein
  • 3 El Butter
  • 2 El fein geschnittene Petersilie
  • 1 Knoblauchzehe

Wenn nötig den Käse entrinden. Hartkäse fein reiben, anderen Käse in etwa 1,5 cm große Würfel schneiden. Alle Zutaten in einen Küchenmixer oder Mörser geben und zu einer kompakten, gleichmäßigen und feinen Masse mixen. Fromage Fort in eine luftdicht verschließbare Dose geben.

Der Fromage Fort kann sofort serviert werden. Für eine festere Konsistenz kann man ihn auch vor dem Servieren eine Stunde in den Kühlschrank geben. Fromage Fort hält sich, gut verschlossen, bis zu 1 Woche im Kühlschrank und wird dabei immer kräftiger im Aroma.

Fromage Fort eignet sich gut als Brotaufstrich auf knusprigem Baguette oder frischem Bauernbrot. Er lässt sich auch gut unter dem Grill überbacken.

Das Rezept lässt sich beliebig abwandeln, bspw. in dem man mehrere Käsesorten verwendet, andere Kräuter oder Gewürze untermischt, einen Teil des Weines mit Gemüsebrühe ersetzt oder einen Schuss Schnaps zugibt.