Ein anderer Ansatz Sauerteig herzustellen ist die Verwendung von selbstgemachtem Kefir. Bei der „klassischen“ Methode der Sauerteig Herstellung müssen sich die „guten“ Hefen und Milchsäurebakterien erst langsam gegen alle anderen Hefen und Bakterien der Umgebung durchsetzen.
Das ist bei Milchkefir-Sauerteig anders, denn hier werden bereits erwünschte Bakterien und Hefen zugesetzt.
In Kefir finden sich je nach dem Ort an dem man lebt und welchen Starterpilz man verwendet eine nahezu unüberschaubare Anzahl von Bakterien und Hefen die im Kefirpilz in einer Art symbiotischer Wohngemeinschaft leben und ein Cluster bilden.
Die folgenden Stämme sind nach Typ gruppiert und sind das Ergebnis jahrelanger Forschung des leider viel zu früh verstorbenen Dominic Anfiteatro, einem führenden Kefirforscher:
Laktobazillen
Lactobacillus acidophilus
Lb. brevis [Possibly now Lb. kefiri]
Lb. casei subsp. casei
Lb. casei subsp. rhamnosus
Lb. paracasei subsp. paracasei
Lb. fermentum
Lb. cellobiosus
Lb. delbrueckii subsp. bulgaricus
Lb. delbrueckii subsp. lactis
Lb. fructivorans
Lb. helveticus subsp. lactis
Lb. hilgardii
Lb. helveticus
Lb. kefiri
Lb. kefiranofaciens subsp. kefirgranum
Lb. kefiranofaciens subsp. kefiranofaciens
Lb. parakefiri
Lb. plantarum
Streptokokken/Laktokokken
Streptococcus thermophilus
St. paracitrovorus
Lactococcus lactis subsp. lactis
Lc. lactis subsp. lactis biovar. diacetylactis
Lc. lactis subsp. cremoris
Enterococcus durans
Leuconostoc mesenteroides subsp. cremoris
Leuc. mesenteroides subsp. mesenteroides
Leuc. dextranicum
Hefen
Dekkera anomala / Brettanomyces anomalus
Kluyveromyces marxianus / Candida kefyr
Pichia fermentans / C. firmetaria
Yarrowia lipolytica / C. lipolytica
Debaryomyces hansenii / C. famata
Deb. [Schwanniomyces] occidentalis
Issatchenkia orientalis / C. krusei
Galactomyces geotrichum / Geotrichum candidum
C. friedrichii
C. rancens
C. tenuis
C. humilis
C. inconspicua
C. maris
Cryptococcus humicolus
Kluyveromyces lactis var. lactis
Kluyv. bulgaricus
Kluyv. lodderae
Saccharomyces cerevisiae
Sacc. subsp. torulopsis holmii
Sacc. pastorianus
Sacc. humaticus
Sacc. unisporus
Sacc. exiguus
Sacc. turicensis sp. nov
Torulaspora delbrueckii
* Zygosaccharomyces rouxii
Der Mittelwertbereich:
Bazillen 66, 62-69%
Streptokokken 16, 11- 12%
Hefen 18, 16- 20%
Entwicklungsreihenfolge zwischen den Gattungsgruppen während des Kefirkulturzyklus:
Laktokokken > Laktobazillen > Leuconostoc > Hefe > Acetobacter
Quelle: Yemoos Nourishing Cultures
Auch in Sauerteig finden sich sehr viele verschiedene Bakterien und Hefen. Die Fermentation von Sauerteig wird seit Tausenden von Jahren eingesetzt, um Lebensmittel zu konservieren und ihre Qualität zu verbessern. Die Rolle der Mikroben bei der Fermentation wurde jedoch erst Ende des 19. Jahrhunderts von Louis Pasteur nachgewiesen.
Was wir mit Sicherheit über die Mikroben in Sauerteigstartern wissen, ist, dass sie Milchsäurebakterien und Hefe enthalten. Die Hefen bewirken, dass der Teig aufgeht, indem sie Kohlendioxidblasen bilden, während die Milchsäurebakterien für den sauren Geschmack sorgen (in Form von Essig- und Milchsäure) und das Brot konservieren, indem sie den pH-Wert absenken, was das Wachstum von Krankheitserregern im Brot verhindert.
Forscher haben verschiedene Techniken zur Untersuchung der Mikroben in Sauerteigstartern eingesetzt, darunter traditionelle Kulturtechniken und PCR-basierte Verfahren. Aus diesen frühen Studien ist bekannt, dass mehr als 50 Arten von Milchsäurebakterien (hauptsächlich Lactobacillus spp.) und mehr als 20 Hefearten (hauptsächlich Saccharomyces spp. und Candida spp.) in Sauerteigstartern leben.
Woher stammen die Mikrobenarten in der Starterkultur von Sauerteig? In einer Studie vom Januar 2020 versuchten Reese et al. die Herkunft der Mikroben zu bestimmen, indem sie die Bakterien und Pilze in Sauerteig-Starterkulturen sequenzierten, die von 18 professionellen Bäckern nach einem standardisierten Rezept und mit standardisierten Zutaten hergestellt wurden. Die Mikroben in den Sauerteigansätzen wurden mit denen auf den Händen der Bäcker und in den Zutaten verglichen. Mikroben, die zuvor in Sauerteigansätzen dokumentiert worden waren, fanden sich auch in den Ansätzen der Bäcker: die häufigsten Ordnungen waren Saccharomycetales für Hefen und Lactobacillales für Bakterien. Die in den Starterkulturen gefundenen mikrobiellen Gemeinschaften waren insgesamt denjenigen im Mehl am ähnlichsten; daher kommen die meisten Bakterien und Hefen mit dem Mehl in den Sauerteig.
Einige der Mikroben stammten jedoch von den Händen der Bäcker. Die verschiedenen Bäcker hatten unterschiedliche mikrobielle Gemeinschaften in ihren Starterkulturen, obwohl alle Bäcker das gleiche Starterkultur-Rezept und die gleiche Mehlquelle verwendeten.
Verändern sich diese Gemeinschaften im Laufe der Zeit? Wenn Mehl und Wasser gemischt werden, wächst in den Starterkulturen des Sauerteigs eine anfängliche Mikrobenpopulation, die sich aber im Laufe der Zeit durch einen „mikrobielle Sukzession“ genannten Prozess verändert. Mit der Zeit dominieren bestimmte Arten von Milchsäurebakterien und Hefe die Population. Diese Gemeinschaften können entweder stabil bleiben oder sich aus verschiedenen Gründen verändern, z. B. durch das Einbringen von Mikroben aus zugesetztem Mehl oder aus der Umwelt sowie durch Schwankungen der Fermentationsdauer oder der Salzkonzentration.
Wir wissen immer noch nicht genau, wie sich das Sauerteigmikrobiom in Abhängigkeit von Parametern wie Mehlsorten, Wasser, dem geografischen Standort des Bäckers oder dem physischen Standort der Starterkultur verändert. Außerdem werden Starterkulturen ausgetauscht, verschenkt und über Generationen hinweg weitergegeben, so dass sie an ganz anderen Orten landen können, als sie ursprünglich waren.
Jüngere Sauerteigstarter enthalten in der Regel Lactobacillus plantarum oder brevis„. Ä ältere Sauerteigansätze neigen dazu, Lactobacillus sanfranciscensis zu enthalten, wobei festgestellt wurde, dass er nicht geografisch gebunden ist. Er ist sauerteiggebunden.
Sauerteig verwandelt für uns giftige oder unbekömmliche Bestandteile des Mehles in gesündere und leichter verdauliche Bestandteile. Kefir statt Wasser für den Ansatz zu verwenden, bringt diese gesunden Stoffe des Kefirs ins Brot. Trotz gewisser Einbußen durch die Backhitze entsteht so ein sehr gesundes Brot. Da wir den Teig vor dem Verzehr backen, nehmen wir die im Sauerteig enthaltenen Mikroorganismen meist nicht mehr lebendig zu uns. Warum dann der ganze Aufwand? Es hat sich gezeigt, dass selbst tote Mikroben immer noch eine positive Wirkung auf die Gesundheit erzielen können: Dieser Effekt heißt „probiotisches Paradox“ (Probiotic Paradox). Er zeigt, dass die sterblichen Überreste von Mikroorganismen in unserem Darm erkannt werden. Sie können so einen regulierenden Effekt auf das Immunsystem ausüben und Entzündungen entgegenwirken. Hinzu kommen noch alle enthaltenen Stoffe, die während der Fermentation entstanden sind und nicht durch Hitze zerstört werden. Zum Beispiel bilden manche Milchsäurebakterien-Stämme Beta Glukane, welche präbiotisch wirken und somit Futter für unsere guten Darmbakterien sind.
Sauerteig mit Kefir ansetzen
Ich verwende ausschließlich Dinkelmehl zum Backen, man kan aber auch jedes andere helle Mehl benutzen. Der Ansatz von Kefir-Sauerteig ist genauso einfach wie der klassische Ansatz mit Wasser:
- 10g Dinkelvollkorn-Mehl
- 40g Dinkelmehl Typ 630
- 45g selbstgemachter Kefir
Der Ansatz wird nun alle 24 h Stunden gefüttert, indem immer wieder dieselbe Menge der Zutaten hinzugefügt wird. Es hat sich bewährt den Starteransatz entweder mit einem Schneebesen oder auf niedriger Stufe mit einem elektrischen Sahnebesen zu mischen. Auf diese Art wird viel Sauerstoff (Luft) unter den Teigansatz gemischt. Dadurch können sich die Bakterien und Hefen besser vermehren, was das anschließende Aufgehen sowohl des Brotes als auch des Sauerteiges selbst fördert.
Wenn der Kefir-Sauerteigansatz eine knappe Woche gefüttert wurde, kann man bereits damit beginnen Brot damit zu backen. Je älter der Sauerteig wird, umso mehr Aromen wird er bilden und umso individueller wird das damit gebackene Brot schmecken.
Sauerteig zeigt uns an einem einfachen Beispiel, wie die Natur das Naturkonzept des ewigen Lebens im Stoffkreislauf realisiert. Eigentlich sind sowohl ein Kefirpilz und auch ein Sauerteig unsterblich!
Lievito madre mit Joghurt „beruhigen“
Wenn mein LM einmal zu sauer wird oder zu sehr nach Essig riecht, benutze ich die Bade-Methode:
Die feste LM in etwa golfballgroße Stücke schneiden und in eine Schüssel mit leicht gezuckerten Wasser (2 g Zucker pro Liter Wasser) legen und etwa 15 – 30 Min darin ruhen lassen und dann entnehmen und leicht ausdrücken. Wenn man zu Beginn der Prozedur den pH-Wert des Wassers misst und dann nach dem Herausnehmen der LM, wir dman feststellen, dass das Wasser deutlich suerer geworden ist.
Die „entsäuierte“ LM mische ich dann mit Mehl und einigen Esslöffeln selbstgemachtem „milden“ Joghurt. Der Joghurt sollte nicht sauer sein. Die LM lasse ich dann an einem warmen Ort ruhen. Da sie Baterien aus dem Joghurt thermophil sind, gedeiht die LM in der Wärme hervorragend und das Ergebnis ist eine sehr gut riechende und nicht mehr sauere LM.
Siehe dazu auch den Film auf YouTube.