Was macht man mit altem Brot? Man macht daraus kulinarische Köstlichkeiten, denn zum Wegwerfen ist es viel zu schade.
In dieser gastronomischen Küchentradition, in der alles verwendet und nichts weggeworfen wurde, gibt es Gerichte, die an die sparsame und bescheidene Lebensweise der bäuerlichen Kultur erinnern, in der nie ein Krümel Brot verschwendet wurde. Brot war schliesslich das Produkt harter Arbeit auf den Feldern. Brot auf den Tischen der Armen nicht immer präsent, es fehlte oft, obwohl es immer als das symbolische Grundnahrungsmittel schlechthin galt. Diese Vorstellung von lebenswichtigen Nahrungsmitteln blieb in den Köpfen der Älteren, die sie an die nächste Generation weitergegeben haben. Es wurde nie ein Stück Brot weggeworfen und diese gesammelten Brotstücke wurden aufbewahrt und zum Teil zu Semmelmehl, Paniermehl, Brösel verarbeitet.
Wer sein altes, hartes, selbst gebackenes Brot zu Semmelbrösel reibt, hat dann auch gleich etwas was es in keinem Geschäft zu kaufen gibt: Sauerteig Semmelbrösel aus dem Mehl der Wahl. Bei mir aus Dinkelmehl mit Lievito madre gebacken. Das gibt einen völlig anderen Geschmack als industriell hergestelltes Brösel.
Ich benutze Brösel von altem Brot als Basismaterial für ein Kochstück.
Als Kochstück, auch bekannt als: „Water roux“, Japanisch: yu-dane 湯種) oder Chinesisch: tangzhong (tāngzhǒng) 湯種), werden alle Zubereitungen bezeichnet, die durch Aufkochen von Getreideerzeugnisprodukten oder anderen Lebensmitteln hergestellt werden und in Backwaren zum Einsatz kommen.
Dazu gehören auch weich gekochte Getreidekörner, Mehlkochstücke oder Schrotkochstücke. Auch ein Grießbrei wäre aus backtechnologischer Sicht ein Kochstück.
Im Unterschied zum Brühstück ist das Kochstück nicht mehr enzymaktiv, da durch die Temperatur von ca. 100°C alle getreideeigenen Enzyme denaturieren.
Allerdings sollten höchstens 1-10% des gesamten Mehles für das Mehlkochstück verwendet werden, da ansonsten einerseits Enzyme zum Abbau von Stärke in Zuckerstoffe fehlen und andererseits das Klebergerüst nur mangelhaft aufgebaut werden kann (Zerstörung der Klebereiweiße durch das Erhitzen ).
Hier einige Rezepte aus der italienischen Küche zur Verwertung von altbackenem Brot:
Panzanella
Panzanella ist ein italienischer Salat aus dunklem Bauernbrot oder salzlosem toskanischen Pane Sciocco („dummes Brot“) oder anderen italienischen Brotsorten wie Pane pugliese oder Ciabatta. Aber man kann auch anderes übriggebliebenes Brot, Brötchen oder Baguette verwenden und dies zuvor in der Pfanne oder im Ofen knusprig rösten.
Scheiben von altbackenem Brot werden erst in Wasser eingeweicht, ausgedrückt und dann in Stückchen gerupft. Es gibt auch lokale Variationen in denen anstelle von Wasser Fleisch- oder Gemüsebrühe verwendet wird. In der Toskana wird es mit frischen Zutaten wie Tomaten, Zwiebeln, Kräutern wie Basilikum und wahlweise auch anderem kleingeschnittenen Gemüse sowie Olivenöl und Essig gemischt. Im Süden Italiens werden auch Anchovis, hart gekochte Eier und Knoblauch beigegeben. Das Brot nimmt die Aromen der Dressing- und Gemüsesäfte auf, so entsteht ein Gericht, dessen Konsistenz manchmal ähnlich dem spanischen Gazpacho ist. Panzanella eignet sich als Vorspeise oder als Beilage zu Grillfleisch. Die Zubereitung wird kalt serviert, aber nicht gekühlt.
Zuppa alla pavese
Zuppa alla pavese, auch Zuppa pavese genannt, ist ein italienisches Nationalgericht. Mit pochierten Eiern angereichert wird sie zu einer herzhaften Mahlzeit. Heiße Hühnerbrühe oder auch andere Fleischbrühe, wird über ein frisches rohes Ei gegossen, das auf einer in Butter gebratenen Scheibe Brot liegt, das Ganze wird mit geriebenem Käse bestreut und gratiniert.
Der Überlieferung zufolge geht das Rezept auf eine Episode zurück, in der Franz I. von Frankreich während der Schlacht von Pavia im Jahr 1525 in Gefangenschaft geriet und unmittelbar danach zu einem nahegelegenen Gehöft namens La Cascina Repentita gebracht wurde. Die Legende besagt, dass die verblüffte Bäuerin nichts Besseres zu tun wusste, als ihrem berühmten Gast eine Suppe aus dem zu servieren, was sie gerade zur Verfügung hatte, und so erfand sie die berühmte Suppe. Als Franz I. von Frankreich nach einem Jahr Gefangenschaft nach Hause zurückkehrte, führte er diese Suppe bei Hofe ein, und sie war so erfolgreich, dass sie bald zu einem berühmten Gericht wurde, das jahrhundertelangen Ruhm erlangen sollte.
Knödel mit Suppe alla Verena
Diese Suppe habe ich in den Marken, bei Südtiroler „Auswanderern“ gegessen und ich hätte schwören können, dass es sich um eine Fleischbrühe handelte. Die Knödel gaben einem das Gefühl ebenfalls Fleisch zu enthalten. Wie sich herausstellte, war in diesem Gericht nicht ein Stückchen Fleisch verarbeitet worden. Die köstlichste Resteverwertung die ich kenne und eine Kombination aus der Küche Südtirols und der Marken.
Die Zubereitung beginnt mit einem Spaziergang im Garten zum Kräutersammeln. Dann werden die gesammelten Kräuter: Brennnessel, Boretsch, Rosmarin, Thymian, Ysop, kleine Karotte und Porte klein geschnitten. Eine kleine Tomate und ein kleines Stück Peperoncino, eine kleine halbierte Zwiebel samt Schale kurz am Herd anbrennen gelassen und alles in das gesalzene heiße Wasser geben.
Dazu kommen dann Kardamom, Nelken, Wacholder und ein wenig Ingwer. Alles wird eine halbe Stunde kochen gelassen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.
Für die Knödel werden 1 – 1,5 kg gutes, altbackenes Vollkornbrot, etwa 1 – 2 Tage alt, in ungefähr 1 cm große Würfel geschnitten. Milch und Wasser werden halb-halb vermischt und erhitzt und noch warm über die Brotwürfel gegossen. Nur nicht zu viel Flüssigkeit, dann andrücken. Die kleingeschnittene Zwiebel in Butter oder Öl anrösten, die kleingeschnittene Petersilie ebenfalls anrösten und warm zu den Brotwürfeln geben, frische Rucola aufschneiden und dazugeben und 2 ganze Eier ebenfalls dazugeben, nochmal fest unterrühren, zum Schluss ein wenig Mehl untermischen. Knödel formen und auf dem Dampf 10 – 15 Minuten kochen.
Die Knödel und die Suppe getrennt servieren und dann am Tisch auftun. Dazu etwas selbstgemachten Hartkäse darüber reiben.
Passatelli
Hier geht es zum ausführlichen Rezept: Passatelli in brodo
Muddica Atturrata – Geröstete Semmelbrösel
Die „Muddicca Atturatta“ ist eine Zutat, die aus der cucina povera, der Arme Leute Küche zur unverzichtbaren Zutat der Gourmetküche geworden ist und mittlerweile auch in vielen Restaurants mit Michelin-Sternen verwendet wird.
Es handelt sich dabei um eine grundlegende Zutat für die sizilianische Küche und für typischen Rezepte Süditaliens: die gerösteten Semmelbrösel die auf Nudeln verwendet werden um das Gericht zu würzen.
In Palermo wird das in Rezept „pasta c’anciova“ oder „pasta con le sarde“ genannt. Die Sizilianer verwendeten Muddica Atturrata früher als „Ersatz“ für geriebenen Käse, weil sich die weniger wohlhabenden Schichten nichts anderes leisten konnten. Heute ist die Situation völlig umgekehrt: Der „Käse der Armen“ ist eine begehrte Zutat, die man in vielen sizilianischen und nicht-sizilianischen Sternerestaurants findet.
Tatsächlich ist die Tradition der Semmelbrösel als Käseersatz im ganzen Süden Italiens verbreitet: In Basilicata und Kalabrien findet man „mollicata pasta“, in Kampanien gibt es „spaghetti alla carrettiera“ oder in den „spaghetti alla Gennaro“ zu Ehren des italienischen Schauspielers Totò (Bürgerlich: Antonio Griffo Focas Flavio Angelo Ducas Comneno De Curtis di Bisanzio; * 15.02.1898; † 15. April 1967). In Apulien nennt man sie einfach „Spaghetti con mollica“. Die Rezeptvielfalt mit Muddica ist anahezu unendlich, gerade weil sie Teil der tausendjährigen kulinarischen Tradition der „Magna Graecia“ sind.
Semmelbrösel, Olivenöl, Knoblauch, Petersilie, Salz und Pfeffer werden zur Herstellung der Muddica Atturrata verwendet, die als Grundlage für andere sizilianische Zutaten und Gerichte verwendet werden kann. Das Wichtigste an dem Rezept ist, dass die Semmelbrösel gut geröstet werden, bevor sie das mit Knoblauch gewürzte Olivenöl aufnehmen können. Der goldene Sand Siziliens muss sich in der Farbe und der Konsistenz der Semmelbrösel widerspiegeln.
Eines muss jedoch klargestellt werden: Echte Muddica atturrata wird nicht mit getrocknetem Paniermehl hergestellt, wie es bei gekauftem Paniermehl der Fall ist. Stattdessen sollten nur abgestandenes, mit lievito madre selbst gebackenes Brot zur Herstellung der Brösel verwendet werden. Also immer Sauerteigbrot, kein reines Hefebrot!
Dies verleiht den Speisen einen besonderen Geschmack und eine besondere Textur. Je nach Verwendungszweck als Gewürz können Sardellenfilets hinzugefügt werden. Diese werden gebraten und in Öl aufgelöst, so dass die Krume das Öl vollständig aufsaugt und den Sardellengeschmack annimmt.
Zutaten:
200 g Semmelbrösel
2 Esslöffel Öl
1 Knoblauchzehe
eine Handvoll gehackte Petersilie
Salz und Pfeffer
2 Esslöffel Öl in einer Pfanne bei mittlerer Hitze erhitzen, bis es schimmert.
Den Knoblauch hinzufügen und unter häufigem Wenden kochen, bis er weich, aber nicht gebräunt ist.
Semmelbrösel, Salz, Pfeffer und gehackte frische Petersilie in einer Schüssel mischen.
In der Pfanne mit dem Knoblauchöl die Semmelbrösel goldgelb rösten.
Um zu verhindern, dass die Muddica atturrata anbrennt, von der Hitze und der Pfanne nehmen.
Eine Variante, die auf der griechischen und maurischen Geschichte Siziliens zurückgehen mag verwendet Nüsse in der Muddica. Das erinnert an Zatar oder Dukkah, sieh dazu unter „Frischkäse aus Kefir oder Joghurt„
Der Kreativität sind also keine Grenzen gesetzt!