Lievito madre ist die italienische Bezeichnung für Sauerteig (Mutterhefe) und wird auch Pasta madre oder Lievito naturale genannt und der Einfachheit halber mit LM abgekürzt.
Lievito madre ist ein sehr fester, süßer (eher nicht sauerer) Weizensauerteig (oder auch Dinkelsauerteig), der erstens andere Aromen als ein Flüssigsauerteig mitbringt und zweitens einen besseren Stand des Teiges fördert. Seine Konsistenz sollte die eines festen Pastateigs sein. Ist er flüssiger handelt es sich eher um Licoli. (siehe unten). Die Lievito madre unterscheidet sich vom klassischen Sauerteig darin, dass sie mit einem anderen Verhältnis von Mehl zu Wasser angesetzt wird. Während der herkömmliche Sauerteig im Verhältnis 1:1 angesetzt wird, ist das Verhältnis beim Lievito madre 2:1.
Ansatz | Verhältnis | Beispiel |
Sauerteig | 1:1 | 100 g Mehl + 100 g Wasser |
Lievito Madre | 2:1 | 100 g Mehl + 50 g Wasser |
In Italien wird die Lievito madre oft mit Hefewasser angesetzt, das aus Trockenfrüchten wie Rosinen, Feigen oder Datteln hergestellt wird. Somit kommen immer die in der jeweiligen Umgebung heimischen Wildhefen zum Einsatz und keine industriell gefertigten Hefen. Das verwendete Mehl ist meist Weizen- oder Dinkelmehl, dem noch etwas Olivenöl und Honig beigegeben wird. Generell sollte man für den Ansatz von Lievito madre keine allzu hell ausgemahlenen Mehltypen verwenden. Dunklere Mehltypen enthalten mehr Mineralstoffe und Vitamine, die für den Stoffwechsel der Bakterien förderlich sind und die Bildung einer eigenen Mikroflora unterstützen. Für den ersten Ansatz ist ein Vollkornmehl oder eine Mischung aus Vollkornmehl mit etwas hellem Mehl geeignet. Wenn die Lievito madre nach etwa 5 Tagen einsatzbereit ist, kann man das Mehl seiner Wahl verwenden, dann natürlich auch gerne helle Typen.
Lievito madre ansetzen:
Alles was man braucht ist:
- Mehl (Weizen- oder Dinkelmehl)
- Hefewasser (Fermentwasser)
- einen TL Klecks Honig
- einen TL Olivenöl.
Tag 1
50 g Mehl
25 g Hefewasser
1 Klecks Honig
etwas Olivenöl
Alle Zutaten miteinander vermischen, zu einer Kugel formen. Die Teigkugel oben kreuzweise einschneiden und in ein hohes Glas geben. Der Kreuzschnitt wird nicht nur wegen der Optik gemacht, sondern hat auch eine Funktion hat. Analog zu anderen festen Vorteigen wie z.B. bei einer pâte fermentèe, kann man diesen auf halber Höhe ausgeführt Kreuzschnitt in der Teigkugel bei der Lievito madre dazu verwenden, um die Volumenzunahme zu erkennen und sieht so, wie groß der Teig vor der Ruhezeit war. Gleichzeitig vergrößert man durch den Kreuzschnitt die Oberfläche der Teigkugel und es kann mehr Sauerstoff an den Teig gelangen.
Den Deckel nur locker aufsetzen oder eine Gaze mit einem Gummi befestigt auflegen und an einem warmen Ort 24 Stunden gehen lassen. Die Temperatur sollte nie unter 20 °C sinken.
Es ist wichtig, dass man nur ein klein wenig Öl und Honig nimmt! Es wird wirklich nur sehr wenig benötigt. Beim ersten Ansetzen ist es wichtig, alle Komponenten sehr gut miteinander zu verkneten. Es sollen keine trockenen Stellen übrigbleiben.
Tag 2
Ansatz vom Tag 2
50 g Mehl
25 g Hefewasser
Den Ansatz von Tag 1 mit dem Wasser verquirlen bis dieser aufgelöst ist. Die Luftbläschen helfen der Lievito bei ihrer Entwicklung. Anschließend erst das Mehl hinzugeben und alles sehr gut miteinander verkneten. Es dürfen keine trockenen Stellen mehr zu sehen sein. So entsteht eine sehr elastische, nicht klebrige Kugel. Diese in ein hohes Glas geben. Deckel nur locker aufsetzen und an einem warmen Ort 24 Stunden gehen lassen. Die Mischung muss immer sehr gut verknetet werden!
Tag 3
Ansatz vom Tag 2
50 g Mehl
25 g Wasser
Den Ansatz von Tag 2 mit dem Wasser verrühren bis dieser aufgelöst ist. Anschließend erst das Mehl hinzugeben und alles sorgfältig miteinander verkneten. Es dürfen keine trockenen Stellen mehr zu sehen sein. Die Kugel wie zuvor, oben kreuzweise tief einschneiden und in ein hohes Glas geben. Den Deckel nur locker aufsetzen und an einem warmen Ort 24 Stunden gehen lassen.
Tag 4
Ansatz vom Tag 3
50 g Mehl
25 g Wasser
Vorgehen wie an Tag 3.
Gegebenenfalls den Gesamtansatz auf zwei Gläser aufteilen, wenn es zu viel für ein Glas zu werden scheint. Nie vergessen die Teigkugel oben kreuzweise tief einzu schneiden und dann erst ins Glas zu setzen.
Tag 5
Ansatz vom Tag 4
50 g Mehl
25 g Wasser
Vorgehen wie an Tag 4.
Die Lievito madre muss nach dem Füttern turmhoch aufgegangen sein! Sie riecht angenehm, leicht säuerlich und ist porös wie ein Schwamm. Wenn das am 5. Tag noch nicht soweit ist, kann es auch mal die doppelte Zeit in Anspruch nehmen. In diesem Fall einfach noch ein paar Tage weiter füttern. Es kann verschiedene Gründe haben, mal liegt es am Mehl, oder die Gärung ist noch nicht ganz aktiv. Geduld!
Wenn die Lievito madre nach dem Füttern nicht aufgeht, dann wird sie auch das Brot nicht aufgehen lassen! Egal wie lange sie gefüttert wurde.
Am Ende des 5. Tages wird der Ansatz in seinem Glas in den Kühlschrank gestellt, der Deckel liegt weiterhin locker auf. Wenn sie fürs Brot backen benötigt wird, nimmt man sich etwas davon ab und lagert den Rest bis zur nächsten großen Fütterung im Kühlschrank. Der kleine Teil wird für das Brot “hoch gefüttert” bis man eine angemessene Menge hat. Wie das geht, zeige ich euch anhand des Rezepts für das Alltagsbrot!
Sollte sich irgendwann im Laufe dieser Tage weißer oder gar grüner Schimmel auf der Lievito madre bilden, bitte sofort entsorgen! Sie sollte auch nicht faulig oder übel stinken, sondern nur nach Mehl und Hefe duften und sie darf auch eine leicht alkoholische Note haben. Frische LM riecht einfach gut!
Lagerung & Fütterung
Die Lievito madre sollte alle 7 Tage aufgefrischt werden, bei mir ist das immer die Sonntagsarbeit. Dazu nehme ich 20 g Anstellgut vom Lievito madre, 80 g Mehl und 40 g Wasser und verrühre alles miteinander. Danach kann die Lievito madre für mindestens 2 – 3 Wochen im Kühlschrank aufbewahrt werden. Nach einer so langen Ruhepause benötigt sie dann aber mehrere Auffrischungen.
Was tun, wenn die Lievito Madre zu sauer geworden ist?
Die LM kann durchaus zu sauer werden, der Geruch geht dann scharf in Richtung Essig. In oben gezeigten Film sieht man den Prozess gut nachvollziehbar, wie man die LM wieder „süß“ bekommt.
Die wohl beste Beschreibung wie man die LM im Wasserbad wieder auffrischen kann findet sich auf dieser Webseite: Lievito Madre wieder auffrischen. Auch die Erläuterungen sind dort sehr hilfreich.
Das probiotische Paradox
Da wir den Teig vor dem Verzehr backen, nehmen wir die im Lievito Madre enthaltenen Mikroorganismen meist nicht mehr lebendig zu uns. Warum dann der ganze Aufwand? Es hat sich gezeigt, dass selbst tote Mikroben immer noch eine positive Wirkung auf die Gesundheit erzielen können: Dieser Effekt heißt „probiotisches Paradox“ (Probiotic Paradox). Er zeigt, dass die sterblichen Überreste von Mikroorganismen in unserem Darm erkannt werden. Sie können so einen regulierenden Effekt auf das Immunsystem ausüben und Entzündungen entgegenwirken. Hinzu kommen noch alle enthaltenen Stoffe, die während der Fermentation entstanden sind und nicht durch Hitze zerstört werden. Zum Beispiel bilden manche Milchsäurebakterien-Stämme Beta Glukane, welche präbiotisch wirken und somit Futter für unsere guten Darmbakterien sind.
Backen mit Lievito madre
Brote mit Lievito madre werden genauso verarbeitet wie Brote mit klassischem Sauerteig. Der Unterschied liegt in der Behandlung des Triebmittels vor der Herstellung des eigentlichen Teiges. Eine Zugabe von Hefe ist bei der Verarbeitung von LM eigentlich nicht nötig. Jedoch kann man durch die Zugabe von etwas Hefe die Säure im Teig regulieren. LM ist nun einmal ein Sauerteig und somit, wie de Name sagt, sauer. Die Hefe reguliert diese Säure. Bei der Zubereitung von Pannetone, also von Süßgebäck, wird die Säure nicht nur durch die zugegebene geringe Menge Hefe reguliert, sondern natürlich auch durch den Honig bzw. den Zucker.
Für reine Lievito-madre-Brote nimmt man 20 – 30% der Gesamtmehlmenge an Lievito Madre, also bei 500 g Mehl sind das 100 – 150 g Lievito madre. Das ist mit Weizensauerteig vergleichbar. Selbstverständlich kommt es auch hier auf die Führungsart und die Temperaturen an. Die Lievito madre empfiehlt sich für eher helle Brote aus Weizen-, Dinkel, Emmer- oder Einkornmehl und ist für Roggenmehl nicht geeignet.
Hier wird mit Bio-Getreide und mit Lievito Madre gebacken.
Li.co.li. – Levain – Fleur Levain
Neben dem eher festen Lievito madre gibt es auch noch das flüssigere Li.co.li – Lievito in Coltura Liquida. Dabei handelt es sich um eine weicher geführte Lievito Madre-Variante mit entsprechend höherem Wasseranteil. Dieser Weizensauerteig schmeckt mild-aromatisch, enthält reichlich Sauerteighefen und besitzt dadurch eine gute Triebkraft. Li.co.li. zeichnet sich durch einen milden Geschmack aus und ist dadurch bestens für helle, mediterrane und süße Backwaren wie Brötchen, Pizza oder Hefegebäck geeignet. Panettone wird gerne mit Li.co.li. gebacken. Charakteristisch für Li.co.li. ist die Auffrischung mit großer Anstellgutmenge sowie eine kurze Reifezeit bei warmen Temperaturen.
Die Fütterung geschieht zumeist im Verhältnis 1:1:1, also 1 Teil Li.co.li, 1 Teil Mehl und 1 Teil Wasser. Am besten bei 28 – 30 °C und über 3 – 4 Stunden verdoppeln lassen.
Nun sollte man nicht glauben es gäbe gute Weizensauerteige bzw. Sauerteige für helle Mehle nur in Italien. Levain ist die französische Bezeichnung für Sauerteig. In Frankreich wird traditionell Weizensauerteig verwendet. Es gibt Levain liquide (flüssiger Sauerteig) und Levain dur (fester Sauerteig).
Eine anderes in Frankreich verwendetes Sauerteigprodukt ist Fleur de Levain. Dabei handelt es sich um gerösteten Aroma-Sauerteig, also Sauerteig-Brösel, die sich vielfältig in der Küche und in der Backstube einsetzen lassen, z.B. als Topping auf Brot oder Brötchen, ähnlich wie Sesam oder Mohn. Dazu werden die Teiglinge entweder in den Sauerteig-Bröseln gewälzt oder die Oberfläche wird leicht befeuchtet und mit Sauerteig-Bröseln bestreut. Das Fleur Levain gibt eine aromatische, knusprige Kruste.
Zur Herstellung von Fleur de Levain werden Sauerteigreste dünn auf ein Backpapier gestrichen und im Ofen bei nicht zu hoher Temperatur (bei max. 200 °C Ober-/Unterhitze) getrocknet, bis sie vollständig durchgetrocknet sind und sich golden-bräunlich färben. Am besten geht das mit abfallender Hitze, indem man bei etwa 200 °C den ausgestrichenen Sauerteig ca. 15 Minuten im Ofen belässt und den Ofen dann ausschaltet. Nach ca. 45 Minuten öffnet man den Ofen einen Spalt, um entstehenden Wasserdampf abzulassen und so den Trocknungsprozess zu unterstützen. Wenn der Sauerteig komplett durchgetrocknet und abgekühlt ist, wird er zu Sauerteig-Brösel vermahlen. Die Brösel kann man in einem Glas mit Schraubdeckel aufbewahren, darin sind sie nahezu ewig haltbar.